05.10.2016

Bodo Hillers - Ansichten eines Großhändlers

Professionalisierter Großhandel, übermächtiger Wettbewerb, Schwarzmarkt und andere Herausforderungen Das Interview führte Raphaela Kirschnick

Fakten

  • Stopperka.de - führender Friseur- und Kosmetikbedarfsgroßhandel in Deutschland
  • Gründung 1956, nach 60 Jahren in dritter Generation
  • Geschäftsführer Bodo Hillers (Enkel von Gründer Willi Stopperka) und Arne Thomsen
  • Unternehmenssitz Hamburg
  • Seit 1983 Teil der Euro-Friwa Einkaufsgemeinschaft, Würzburg


imSalon: Bodo, dritte Generation Großhandel, in den vergangenen sechzig Jahren ist viel passiert, die Meilensteine?
Bodo Hillers: Ursprünglich war der Großhandel ein reiner Zubehörlieferant für die Branche, Watte, Bürsten, Färbeschalen, später dann Elektrokleingeräte. In den Siebziger Jahren kam die erste große Bewegung, in der die Industrie ins Spiel kam. Schwarzkopf waren die ersten, es folgten Wella und L’Oréal, um ihre Produkte über uns zu verkaufen. Die letzten, die diesen Weg gingen, war Goldwell, die kamen erst in den 90er Jahren.

Welche Auswirkungen hatte das auf den Großhandel?
BH: Mit diesen starken Marken war der Großhandel in der Lage zu wachsen, wir sind an Kunden herangekommen, die es vorher so für uns nicht gab. Das hat den Nährboden für die nächste große Entwicklung geliefert. Viele Großhändler waren dadurch groß und finanzstark geworden. Jetzt war nicht mehr die Industrie der Wettbewerb, sondern andere Großhändler.
Damit fing das Spiel an, wer ist der Tollste, der Stärkste, vor allem jedoch der Billigste.

Ein Preiskampf kann ein böses Erwachen mit sich bringen!
BH: So kam es auch, weil sie kein Geld mehr verdienten. Da wurden alle sensibel, die Großen halt. Hair Haus, Gieseke gingen in den frühen 2.000er Jahre einen Schritt weiter und nahmen Exklusivmarken auf. Plötzlich fuhr man zur Cosmoprof und großen Messen nach Amerika und fing an hier und da mal `ne Marke aufzutun, die noch keinen Vertrieb in Deutschland hatte.

„Im Großhandel gab es keine Markenführungskenntnisse“

War das einfach?
BH: Nein, erst heute kann man von einem professionalisierten Großhandel sprechen. Viele waren nicht erfolgreich, weil einfach keine Markenführungskenntnis vorhanden war, kein Marketing Budget, kein Know-how. Das haben sich alle erst Schritt für Schritt aneignen müssen oder sind auch zum Teil noch dabei.

Wie ist Stopperka vorgegangen?
BH: Mir persönlich haben, als ich 1998 einstieg, viele Jahre in der Industrie geholfen. Ich machte eine Lehre bei Schwarzkopf, arbeitete ½ Jahr bei L‘Oréal im Außendienst und war für Wella ein Jahr im Marketing in Amerika, aber das weißt Du ja. (Wir erinnern uns ein wenig an gute alte gemeinsame Zeiten in USA)

Was hast du von der Industrie gelernt?
BH: Dort konnte ich mir Dinge, die die Industrie toll macht, anschauen und für mein Unternehmen später adaptieren, natürlich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Ich habe dann begonnen Fachtrainer anzustellen, wir haben viel professionelleres Marketing gemacht und bieten Kunden ein kontinuierliches Seminarprogramm. Bei Euro-Friwa haben wir mittlerweile ein 5-köpfiges Marketing Team sitzen.

„Ich hab großen Respekt vor Gieseke…“

Marketing als Schlüssel zum Erfolg?
BH: Wer das extrem erfolgreich macht ist Gieseke, Hendrik Rumpfkeil, der verfügt natürlich über ganz andere finanzielle Ressourcen. Ich habe großen Respekt vor dem, was er da gemacht hat. Gieseke hat ein glückliches Händchen für Marken gehabt, wie moroccanoil.

Kann ich das schreiben?
BH: Ja sicher. Ich erkenne das an und stehe da voll zu, warum denn auch nicht?

Wie viele Exklusivmarken vertreibt ihr?
BH: 13 Exklusivmarken! Natürlich neben all den großen Marken. Drei Marken davon sind Vollsortimente.

Umsatzrelation Eigenmarken vs. Industriemarken – kannst du dazu etwas sagen?
BH: Da tue ich mir jetzt schwer damit! Aber ich weiß, dass unser Anteil von Exklusivmarken ein sehr gesunder ist und weit über denen mancher Wettbewerber liegt. Aber mehr mag ich dazu nicht sagen.

Der Trend Eigen- vs. Industriemarken?
BH: Wir können uns immer unabhängiger von der Industrie machen. Nichtsdestotrotz brauchen wir auch heute noch die starken Marken von Wella, L’Oréal, usw., weil tatsächlich sind wir ein Zulieferer der Branche und Salons haben Lieblingsprodukte. Außerdem sind diese Marken Türöffner in Salons. Als Großhändler kann man auch noch nicht alles abdecken, was die Industrie heute macht. Dennoch, wir sind sehr weit, bald alles zu substituieren.

„Ich habe mich für Friseure entschieden…“

Heikles Thema Schwarzmarkt! Hier gerät der Großhandel immer wieder in Verruf!BH: (stöhnt) Im Internet kann man ja heute zu jeder Tages- und Nachtzeit alles kriegen, das können wir nicht verhindern. Mich hat das jahrelang sehr beschäftigt. Vor allem, weil ich mich entscheiden musste, will ich jetzt Friseure beliefern oder die Kunden der Friseure. Ich musste mich entscheiden und habe mich für Friseure entschieden.

Also keine Endverbraucher?
BH: Wir verkaufen nicht an Endverbraucher, unsere Kunden sind Friseure. Was ich komisch finde, ist, dass es viele Friseure gibt, die ihre Endverbraucherkunden zu uns schicken, damit sie sich eine Bürste kaufen, weil sie im Salon nicht beraten wollen. So kommen auch mal Endverbraucher vorbei. Aber dieser Anteil ist gleich null.

Und Produkte für die Schwarzarbeit?
BH: Das ist ein ganz schwieriges Thema, grundsätzlich sind wir als B2B Händler verpflichtet auf Rechnung zu verkaufen. Schwarzarbeit ist ein schwieriges Thema, das können wir ja nicht kontrollieren und auch nicht verhindern, die Mitarbeiter kaufen dann im Internet oder aus den gängigen Katalogen mit Millionenauflage bei 80.000 Friseuren. Das ist doch krank.

Wie viele Kataloge vertreibt ihr?
BH: Wir haben mit Euro-Friwa in etwa 50.000 Kataloge.

Wer sind deiner Meinung nach die großen Internetkonkurrenten?
BH: Hagel Hairshop macht uns das Leben wirklich schwer, als Großhandel für Endverbraucher. Sein Erfolg war, dass er von Beginn an Marken wie Kerastase, Redken, SP, etc. erhalten hat, an die wir als Großhändler nicht herankommen, und das nur, weil er Friseur ist.

Und die klassischen Industriemarken funktionieren nicht so gut?
BH: Kabinettware ja, aber die klassischen Styling und Pflegeserien der Großindustrie sind bei Friseuren nicht so nachgefragt. Wir verkaufen 80% Kabinettware, die Verkaufsprodukte machen gerade mal 20% aus.

Woran liegt das?
BH: Die Friseure wollen mehr und mehr unbekannte Exklusivmarken. Es ist clever, dass exklusive Marken wie Aveda, TIGI, etc. den Großhandel nicht beliefern, dennoch hätte ich diese gerne.

Ob dieser Markenvielfalt, wie entscheidet denn euer Außendienst, was er verkauft?
BH: Das kann er nicht, wie soll das gehen. Deshalb sind die Provisionen aller 13 Exklusivmarken gleich und der Außendienstler kann frei entscheiden und sich aufgrund der persönlichen Präferenz für die Marke stark machen.

Wie viele Bundeländer deckt ihr ab?
BH: Wir sind in 12 Bundesländern aktiv. Im Süden halte ich mich heraus, dort sitzt mein Schwager Axel Tegtmeyer mit der Para AG, die im Übrigen auch in der Euro-Friwa vertreten ist.

Seit wann seid ihr im Eurofriwa Verbund?
BH: 
Seit 1984! Es gibt ca. 80-100 Friseurbedarfsgroßhändler in Deutschland. Dann gibt es zwei Einkaufsverbände, die „Für Sie EG“ mit der Sparte Coiffeur und 15 Großhandels-Mitgliedern. Die zweite ist „Eurofriwa“ mit 21 Mitgliedern in Deutschland. Na und dann gibt die zwei großen Einzelunternehmen, das sind Gieseke und KMS/Hair Haus und verschiedenste Großhandlungen, die keiner dieser Organisationen angeschlossen sind.

Welche Vorteile bringt euch Euro-Friwa?
BH: Wir nutzen Synergien, gemeinsames Marketing, gemeinsamer Einkauf und auch die Logistik. Hier in Hamburg sind wir nur noch Vertrieb.

Wie viele Stores habt ihr?
BH: Zwei, in Hamburg und Schwerin. Wir hatten einmal 5, aber die tragen sich nicht. Wenn du sexy Brands wie TIGI oder Redken nicht hast, funktioniert es nicht. Friseure sind ja auch im Salon und haben nicht die Zeit, durch die Gegend zu fahren, um einkaufen zu gehen.

"Außendienst gegen Abholmarkt ist kontraproduktiv..."

Warum tragen sich Hamburg und Schwerin?
BH: In Schwerin ist die Ausnahme eine Symbiose aus Abholmarkt und Vertrieb. Überall sonst stellt der Markt für den Außendienst Konkurrenz dar und wenn dann die Außendienstler beginnen gegen den Abholmarkt zu reden ist das erst recht kontraproduktiv. Unser Hamburg-Markt ist reines Image, rechnet sich aber nicht. Dennoch bleibt meine Maxime, es gibt hier alles, was im Katalog abgebildet ist. Wir haben einen sehr hohen Marktanteil in Hamburg und der ist uns wichtig.

Hagel-Shops sind ja nicht nur Internet, sondern auch sehr aktiv mit insgesamt 18 Abholshops in Hamburg, Konkurrenz?
BH:
Oh ja, und das in besten Lauflagen. Aber Friseur meiden diese, da sie Endverbraucher mit friseurexklusiven Produkten versorgen. Jedoch, ist mal ´ne Koleston aus, dann rennen sie da auch hin. Wir haben uns ganz klar abgegrenzt und das ist gut so. 60 Jahre Stopperka, du bist dritte Generation! Ja, Opa Willi hat damit angefangen, der Vater meiner Mama, daher der Name Stopperka.

War für dich immer klar, dass du Stopperka übernimmst?
BH: 
Auf dem Sterbebett habe ich meinem Opa die Hand gegeben und gesagt, dass ich es weitermache. Das hat er mir nicht abverlangt, er wollte es nur wissen und ich hab‘s ihm versprochen. Für mich eine Frage der Ehre und des eigenen Anspruchs.

Du machst das aber schon mit Leidenschaft! 
BH: Zu viel Leidenschaft (lacht). Mein ursprüngliches Ziel war ja die Nummer eins zu werden in Deutschland, das schaffe ich nicht, das habe ich abgeschrieben. Gieseke und Hair Haus sind dafür zu übermächtig. Jetzt hab ich mich damit abgefunden Nummer 3 oder 4 zu sein und es geht mir viel besser.

An welcher Marktposition liegt ihr?
BH: 3, 4, 5! Es weiß keiner so genau, es gibt ja keiner seine Zahlen preis.

Was zeichnet deine Arbeit, im Vergleich zu den Vorgängergenerationen, aus?
BH: Ich glaube, dass die Vorgänger genauso Gas gegeben haben, halt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Aber sie hatten zum einen nicht den finanziellen Background und auch nicht die Ausbildung, wie ich sie genossen habe. Dadurch, dass ich studiert habe und bei den 3 großen Industriepartnern Erfahrung sammeln konnte, habe ich einfach andere Perspektiven mitbekommen, die zu Beginn auch keiner aus meiner Familie verstanden hat.

War die Übergabe einfach?
BH: Es gab die ersten Jahre einige Reibereien, da mein Vater gar nicht verstanden hat, was ich hier wollte.

Deine großen Errungenschaften?
BH: 
Aus drei Bundesländern zwölf gemacht, Umsatz verdreifacht, diverse Exklusivmarken vorangetrieben, eigener Fachservice, Seminarkonzepte, überregionale Präsenz forciert.

Du bist ungewöhnlich offen im Umgang mit Wettbewerbern!
BH: Also Hendrik Rumpfkeil, Gieseke, wir sind beide Senatoren bei den Kölschen Figaros, hat mir einmal ein schönes Kompliment gemacht. Er hat gesagt „Mein Junge, wenn du mehr Geld zur Hand hättest, würdest du mir ernsthaft Angst machen.“ Das klingt zwar irgendwie arrogant, aber eigentlich ist es eine sehr schöne Anerkennung.

Du bist noch immer aktiv im Markt unterwegs!
BH: 
Ja, ich bin Außendienst und Bezirksleiter, fahre einmal die Woche, jeden Dienstag, selbst im Markt, betreue noch ca. 100 Kunden. Dadurch weiß ich, wie es da draußen abläuft. Das ist zwar hemdsärmelig und kleinkariert, aber auch bodenständig. Mit Dr. Arne Thomsen teile ich mir die Stopperka Geschäftsführung. Und nebenbei mache ich noch einiges im Euro-Friwa Marketing.

"Zwei Jahre war ich hier Reinigungskraft..."

Mit 30 bist du als Juniorchef in die Geschäftsführung gekommen? Hat man da Anerkennungsprobleme?
Für mich waren viele hier Kollegen, es gibt Mitarbeiter, die bereits seit 30 Jahren hier arbeiten. Natürlich ist das in Familienunternehmen immer problematisch. Ich habe lieber mit Leistung überzeugt, als mit großer Klappe und immer an der Basis mitgearbeitet.
Als ich studiert habe war ich hier sogar die Reinigungskraft. Zwischen 6 und 10 Uhr hab ich das mit einem Freund gemacht, um Geld dazu zu verdienen. Als Student mit eigener Wohnung und Auto musst du ja sehen, wie du dir das finanzierst. Das war 1996.

Und jetzt eure Hausmesse, ca. 4.500 Besucher, ein umfassendes Programm.
Ja, kostet ein Vermögen und ist unser DANKE an unsere Kunden!

Kommt das auch wieder herein?
(Schmunzelt) Ich denke schon.

Deine nächsten Projekte?
Weißt du, es geht uns gut und ich stecke ganz viel Energie ins Business. Auch mein Privatleben verdient Aufmerksamkeit, meine Frau Claudia, meine beiden Kinder, das ist ebenso wichtig.
(Plötzlich kippt das Interview, wird persönlich und Bodo Hillers beginnt mir Fragen zu stellen) Weißt du Raphaela, meine Geschichte langweilt mich, die kenne ich ja, aber deine interessiert mich. (Und so plaudern wir dahin)

Bodo, weiterhin alles Gute und viel Erfolg, die Stopperka Hausmesse 2016 war wirklich großartig.