Credit: Bernhard Ries

21.04.2023

Bernhard Ries: Der Rückzahlungs-Erlass ist ein billiges Wahlkampfmanöver

Er gründete die Friseure für Gerechtigkeit. Aus einer Facebook-Gruppe wurden nun mehr als 2.800 Mitglieder und eine Webseite, mit Druckvorlagen, Anwalt-Support und Fristen rund um die Corona-Soforthilfe-Rückforderungen. Ein Interview über den aktuellen Stand der Initiative und Rückzahlungs-Erlass in Bayern …

Im Interview mit Juliane Krammer

Herr Ries, welche Neuigkeiten gibt es rund um die Entschädigungsklage bezüglich der Soforthilfe?
Bernhard Ries: 
Die Revisionsverhandlung vor dem BGH findet am 11.5. in Karlsruhe statt. Mehr kann ich dazu derzeit nicht sagen. Es wäre nicht besonders klug, vor der eigentlichen Verhandlung hierzu Informationen preiszugeben.
Zwischen der 2. Instanz der Verfassungsklage und der jetzigen Revisionsklage ist sehr viel Zeit vergangen und viel passiert: In NRW verlor das Land die 1. und 2. Instanz vor den Verwaltungsgerichten. Das ist auch ein Hinweis dafür, dass die Verwaltungsgerichte einen hohen Bedarf sehen, dass die politischen Entscheidungen und Verordnungen überprüft werden sollten. Da jedes Bundesland seine eigenen Verordnungen erlassen hat, gibt es ein großes Durcheinander. Das zeigt sich seit November 2022 auch in Bayern. Da sollen nun Überprüfungen stattfinden und Unternehmer ihren Liquiditätsengpass melden - über ein digitales Medium, das vom Wirtschaftsministerium online gestellt wurde. Davon war Mitte des letzten Jahres noch keine Rede. Es laufen so viele Dinge falsch. Ich sehe hier klar, die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, sich das alles einmal anzusehen.

"Es geht völlig an dem vorbei, was eigentlich bewirkt werden soll: Die Betriebe, die ausbilden und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, werden nicht unterstützt, sondern die, die ohnehin schon bevorteilt sind – Kleinstunternehmer mit Mehrwertsteuer-Befreiung."

Apropos Bayern: Hier wurde vor ein paar Tagen verkündet, dass ein ► Erlass der Soforthilfe-Rückzahlung für bestimmte Personen gelten soll. Sehen sie das als Erfolg?
BR:
Grundsätzlich begrüße ich es, dass sich etwas bewegt, aber so wie das alles abgewickelt werden soll, deutet das eher auf ein billiges Wahlkampfmanöver von Herrn Söder hin. In Bayern sind ja schließlich im Herbst Wahlen. Da erhofft sich die Regierung durch solche Versprechen zusätzliche Wählerstimmen.

Friseuren, die unter 25.000 Euro Jahresgewinn haben, soll die Rückzahlung erlassen werden. Einzelunternehmer, die vor der Aufgabe ihrer Existenz stehen, sollen die erhaltenen Hilfen behalten können. Man muss sich das vorstellen: 25.000 Euro Jahresgewinn. Das ist für mehr als 50 % der deutschen Friseurbetriebe der angegebene offizielle Gewinn. Wenn die Bayerische Staatsregierung dieses Wahlkampfgeschenk umsetzen möchte, belohnt sie damit nur Kleinbetriebe. Alle Betriebe, die ausbilden und Mitarbeiter beschäftigen, werden natürlich nicht unter 25.000 Euro bleiben und haben dann keine Chance auf den Erlass der Rückzahlung. Es geht völlig an dem vorbei, was eigentlich bewirkt werden soll: Die Betriebe, die ausbilden und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, werden nicht unterstützt, sondern die, die ohnehin schon bevorteilt sind – Kleinstunternehmer mit Mehrwertsteuer-Befreiung.

Die Geschäftsführung des LIV Bayern, Doris Ortlieb, begrüßte per Facebook, die Entscheidung …
BR:
Die Verbände und der ZV wollen ihre guten Kontakte zur Politik nicht aufs Spiel setzen und gehen daher einer mit Nachdruck geführten Diskussion aus dem Weg, da sie auch noch andere Dinge bewirken wollen.

Wieder zurück zu Ihrer Initiative. Sie bieten mit ihrer neuen Webseite Unterstützung für Friseur-Betriebe, …
BR:
Ja, wir sind mit der neuen Webseite ► www.friseure-fuer-gerechtigkeit.de online. Unser Ziel war, ursprünglich über eine Verfassungsklage die Änderung des IFSG (Anm. der Red. Infektionsschutzgesetz) zu erreichen, dafür haben wir eine Facebook-Gruppe gegründet. Viele Mitglieder haben sich bei uns gemeldet und um Hilfe z.B. auch bei den Liquiditätsmeldungen gebeten und so sind wir auch in dieses Thema eingestiegen und haben die Webseite neu gestaltet.

Es gibt einen eigenen Mitglieder-Bereich, bei dem man sich anmelden kann. Was sind die Voraussetzungen, um Mitglied zu werden?
BR:
Wir haben für die Verfassungsklage über viele Monate Geld gesammelt und das sollte bis zum Verfassungsgericht reichen. Da wir hier in ein laufendes Verfahren einsteigen konnten, haben wir uns Geld gespart und das ist nun der Grundstock für die weiterführenden Soforthilfe-Prozesse.
Wir haben 2.800 Mitglieder in unserer Facebook-Gruppe und davon haben uns leider die wenigsten mit  einem finanziellen Beitrag unterstützt. Alle wollen Informationen und Unterstützung, aber das kostet Geld. Um unsere ehrenamtliche Arbeit finanzieren können, haben wir uns für einen internen Mitgliederbereich entschieden. Jeder, der uns mit einem entsprechenden Betrag unterstützt, kann sich dort registrieren. Mit einem einmaligen Mindestspendenbeitrag von 60€ kann man unseren Support nutzen. Hierzu einfach auf den Reiter „Mitmachen“ gehen, sich registrieren, ein Foto von der Überweisung übermitteln und schon kann man den Mitgliederbereich nutzen.

Warum soll ich Mitglied werden? Welche Informationen bekommen ich dafür?
BR:
Es wird nach Ländern unterschieden, weil, wie schon erwähnt, jedes Land seine eigenen Verordnungen erlassen hat. Derzeit sind das Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Es gibt spezifische Inhalte wie Informationen und Downloads. In Bayern gibt es aktuell z.B. einen Aufruf des Landesinnungsverbandes, um einen Brief an die Herren Söder und Aiwanger zu schreiben, in dem die persönliche Situation dargestellt wird. Das wird dann gesammelt an den Landesinnungsverband übermittelt und von dort am 24. April Herrn Söder bzw. seinem Staatssekretär überreicht.
Oder auch wichtige Informationen für die digitale Rückmeldung bis zum 30.6. und wie man hier verfahren muss, erfährt man hier online. Es gibt eine erste Einschätzung von Anwälten bezüglich der digitalen Rückmeldung und den Erfolgschancen bei einer evtl. Klage … etc. Das sind Infos, die in der Öffentlichkeit nicht preisgegeben werden. Die Personen, die solche Informationen erhalten wollen, können sich bei uns anmelden und erhalten dann Zugang zu diesem Mitgliederbereich.
Wir müssen unsere Anwälte bezahlen und das können wir nicht aus der eigenen Tasche finanzieren. Der Mehrwert, der für die zahlenden Mitglieder entsteht, ist um ein Vielfaches größer als die gespendeten 60 Euro, die man einmalig aufwenden muss.

Sie sprachen von Downloads. Welche Musterschreiben stehen zur Verfügung?
BR:
Aktuell gibt es zum Thema „Rückmeldung zur Überprüfung der erhaltenen Corona-Soforthilfen“ eine Vorlage zum Ausdrucken oder wenn es so weit ist eine „Fristwarte-Klageschrift“, damit, wenn die Bescheide erlassen werden, man innerhalb der 4-Wochenfrist zügig eine Klage in Bayern absenden kann und vieles mehr.

Warum braucht es den Mitglieder-Bereich? Warum stellen sie nicht einfach alle Inhalte online zur Verfügung?
BR:
Der Mitgliederbereich ist notwendig, damit sich Trittbrettfahrer, an den ehrenamtlich zusammengestellten Informationen, nicht einfach bedienen können. Wir brauchen Geld, damit wir die besten Anwälte einschalten können. Das ist notwendig, da die Landesregierungen erfahrungsgemäß immer mit einer großen Anwaltskanzlei aufwarten, wenn es zum Prozess kommt. Wir brauchen daher dringend die Unterstützung, um so gut wie möglich arbeiten zu können.

Vielen Dank für Ihre Zeit und viel Erfolg!